Intention

Den Toten ihre Würde, den Lebenden ihre Hoffnung wiedergeben.

Rwanda (Ruanda), mitten im Herzen Afrikas, nicht viel größer als das Bundesland Hessen und politisch im Weltgeschehen ziemlich unbedeutend, war ab dem 6. April 1994 monatelang in den Schlagzeilen. An diesem Tag wurde das Flugzeug des Präsidenten von Rwanda auf dem Flug von Dar-es-Salam, Tansania, nach Kigali, Rwanda, abgeschossen.
Es starben der seit 1973 amtierende Präsident von Rwanda, Juvénal Habyarimana, der seit zwei Monaten amtierende Präsident Cyprien Ntaryamira von Burundi, hohe Würdenträger und die französische Equipage. Dies war der Auslöser für den Völkermord und die Fortsetzung der jahrelangen gewaltsamen Auseinandersetzungen in Rwanda und ab 1996 im benachbarten Zaïre, heute Demokratische Republik Kongo.
Ab April 1994 wurden in 100 Tagen nach Schätzungen bei Massakern und kriegerischen Auseinandersetzungen etwa 800.000 Menschen ermordet. Frauen, Männer und Kinder, Alte und Junge, selbst Neugeborene sind auf brutale Art und Weise massakriert worden. Die Schlächter haben ganze Familien ausgelöscht. Von vielen Familien, oft zwanzig bis fünfzig Personen, sind oft nur noch eine oder zwei Personen übriggeblieben.
Schon vor dem Völkermord sind während des Krieges ab Oktober 1990 viele Menschen, Zivilpersonen und Soldaten ermordet worden. Eine Million Menschen befanden sich im Februar 1993 auf der Flucht im eigenen Land und lebten unter unwürdigsten Bedingungen.
Nach Ende des Krieges, am 18. Juli 1994, waren fast vier Millionen von einmal 7,2 Millionen Rwandern und Rwanderinnen auf der Flucht, innerhalb der Heimat oder in Nachbarländern: Tansania, Burundi, Uganda, Zaïre, ganz wenige im außerafrikanischen Ausland. In den Flüchtlingslagern starben Zehntausende an physischer und psychischer Erschöpfung und an Krankheiten wie der Cholera.
Nach 1994 gab es, sowohl auf der Seite der militärischen Sieger wie der Verlierer, Mörder, die meinten, sie müssten ihr Werk, die Auslöschung der Anderen, vollenden. Weiterhin wurden Menschen, da sie einem rassistischen Stereotyp entsprachen oder einer politisch missliebigen Gruppe angehörten, weil sie angeblich oder tatsächlich schuldig waren, ermordet.
Viele Tote hatten nicht das Recht, würdig begraben zu werden. Wie können ihre Seelen Ruhe finden?
Die Ausstellung ist den vielen unschuldigen Frauen, Kindern und Männern gewidmet, die auf grausame Art und Weise ermordet wurden, die gestorben sind und denjenigen, die unter den menschlichen Verlusten leiden.

Wer ist ein Täter?
Derjenige, der die Morde geplant hat?
der die Mordmaschinerie umgesetzt hat?
der erschossen hat?
der mit der Machete Frauen, Männer und Kinder zerstückelt hat?
der Frauen und Mädchen vergewaltigt hat?
der den Krieg materiell und strategisch vorbereitet hat?
der den Krieg in den Köpfen vorbereitet hat?
der die Massaker in den Köpfen vorbereitet hat?
der die Waffen geliefert hat?
der die Mörder ausgebildet hat?
der die Mörder falsch oder richtig informiert hat?
der die Hetzsender und Zeitungen finanziert hat?
der die Parolen und Mordaufforderungen gesprochen hat?
der Gerüchte und Falschinformationen in Umlauf gesetzt hat?
der seine Nachbarn nicht geschützt hat?
der unter Lebensbedrohung andere ermordet hat?
der die einen, aber nicht die anderen retten konnte?
der sein eigenes Leben nicht riskiert hat?
der geschwiegen hat?
der nicht geschwiegen, aber nichts erreicht hat?
der geflüchtet ist?
der geblieben ist?
der Opfer und Täter medizinisch versorgt hat?
der mit einer Lüge sich, aber nicht die anderen retten konnte?
der nicht genug insistiert hat, um die anderen zu retten?
der den Sterbenden den Todesschuss gegeben hat?
der zugeschaut hat, wie die anderen zerstückelt wurden?
der den Versteckten nichts zu essen gab?
der nicht von außen eingegriffen hat?
der keine Mittel für die Blauhelme bereitgestellt hat?
der die wirtschaftliche Misere im Land mit verursacht hat?
der tatenlos zusah, wie die Katastrophe sich anbahnte?
der behauptet, seine Wahrheit sei die einzige Wahrheit?
der die Toten nicht beweint und nicht um sie trauert?

Schürings, Hildegard, in: Schürings, H. (Ed): Ein Volk verläßt sein Land. Krieg und Völkermord in Ruanda, ISP-Verlag Köln 1994

Die Fotos und Texte sind im Zeitraum 1978-2011 entstanden.